Im April 2023 forderte der Verbraucherschutzverein gegen den unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 56.000€. Grund waren vermeintliche Verstöße gegen Unterlassungsverträge, die im Jahr 2019 geschlossen wurden.
Die angeschriebene Partei habe in der Vergangenheit für Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent unter Angabe gesundheitsbezogener Aussagen geworben. Daraufhin sei sie im Jahr 2019 bereits vom VSV abgemahnt worden. Gegenstand der damaligen Abmahnung war die Verwendung des Begriffes „bekömmlich“ für einen Aperitif.
Die Abmahnung aus 2019 hatte die Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen zur Folge
Mit der Unterlassungserklärung verpflichtete sich die abgemahnte Partei, „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent mit gesundheitsbezogenen Angaben wie ‚zuträglich‘, ‚leicht verdaulich‘ oder ‚gesund‘ zu bewerben, insbesondere wie vorliegend geschehen durch den Begriff ‚bekömmlich‘“.
Sie versprach für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die zuvor wiedergegebene Verpflichtung eine angemessene Vertragsstrafe, die einen Betrag von 5.100€ nicht unterschreitet. Die konkrete Höhe sei von der Erklärungsempfängerin (VSV) zu bestimmen. Ihre Billigkeit könne vom zuständigen Gericht überprüft werden.
In einer weiteren kurz darauf von der damaligen anwaltlichen Vertreterin der abgemahnten Partei abgegebenen Unterlassungserklärung verpflichtete sich die abgemahnte Partei zu Folgendem:
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- „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent mit der Angabe ‚bekömmlich‘ zu bewerben“ und
- „für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen eine angemessene Vertragsstrafe von EUR 7.000,00 zu bezahlen“. In der Erklärung war ein Ausschluss des § 348 HGB vorgesehen.
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Vermeintliche Verwirkung der Vertragsstrafe durch Nutzung weiterer gesundheitsbezogener Aussagen für alkoholische Getränke
Mit dem Schreiben aus April 2023 wies der VSV die Unterlassungsschuldnerin darauf hin, dass sie erneut Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben habe.
Der VSV sah in den folgenden Aussagen Verstöße gegen die Pflichten aus dem 2019 geschlossenem Unterlassungsvertrag:
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- „Beliebtheit und Nützlichkeit dieses Getränkes als Medikament“ und „So wurde ihm Enzianwurzel beigefügt, eine bittere Pflanze mit einer aussergewöhnlichen heilsamen Wirkung auf den Verdauungstrakt“ für Kräuterlikör;
- „um die Verdauung anzuregen“ und „ist auch berühmt für seine universellen Heilkräfte“ sowie „Und auch wenn man die Legenden beiseite lässt, die Heilkräfte vieler der beigefügten Kräuter sind wohl bekannt. So hilft Thymian bei Husten, und Rosmarin gegen Rheuma und Nervenschmerzen.“ und „Das typische Aroma kommt von einer Mischung aus den Blättern, Früchten und Samen von 18 Pflanzen, welche auf jeden Fall die Verdauung prima unterstützen.“ für ibizenkischen Likör;
- „… oder als Verdauungsschnaps“
- „…Ursprünglich hatte Dr. […] seinen Patienten die Aromatic Bitters zur Anregung von Appetit und Verdauung kredenzt. …“
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Die Vertragsstrafe sei durch die Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag verwirkt worden.
Der VSV führte aus, dass es für die Höhe der Vertragsstrafe v.a. auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe sowie deren Funktion zur Verhütung weiterer Zuwiderhandlungen ankomme. Bei der Bemessung habe der VSV insb. berücksichtigt, dass seiner Auffassung nach in mind. acht Fällen gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen worden sei. Zudem handle es sich nicht um die ersten Verstöße dieser Art. Vielmehr habe in der Vergangenheit bereits eine Vertragsstrafe in Höhe von 20.000€ bezahlt werden müssen. Die Vertragsstrafe bei wiederholten Verstößen gegen den Unterlassungsvertrag sei deutlich höher anzusetzen als bei einem Erstverstoß.
Klageerhebung durch den VSV infolge unterlassener Zahlung
Der Zahlungsaufforderung des VSV wurde nicht nachgekommen und die anwaltliche Vertreterin der aufgeforderten Partei wies die geltend gemachten Ansprüche zurück.
Die Parteien stritten sich u.a. über
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- die Aktivlegitimation des VSV, schließlich sei der VSV nicht mehr in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände,
- der Höhe nach überzogene Vertragsstrafenforderungen und Rechtsmissbräuchlichkeit,
- Anfechtung bzw. Kündigung der Unterlassungsverträge aus 2019,
- Auslegungsfragen u.a. Kerngleichheit von Verstößen und das Vorliegen einer Handlungseinheit bei den geschilderten Aussagen.
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Der VSV sah sich schließlich veranlasst, Klage vor dem LG Landshut zu erheben. Er beantragte, die Beklagte zur Zahlung von 56.000€ sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 912,45€ (beides nebst Zinsen) an den Kläger (VSV) zu verurteilen. Die Beklagte beantragte hingegen, die Klage abzuweisen.
Vertragsstrafe von 56.000€ auf 7.000€ reduziert
Das LG Landshut entschied in seinem Urteil vom 27.11.2024 (1 HK O 261/24), dass die Klage nur teilweise begründet sei.
Der Kläger habe bei Abschluss der Unterlassungsverträge nicht treuwidrig gehandelt. Er sei zum damaligen Zeitpunkt zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigt gewesen. Statt der geforderten 56.000€ könne der VSV jedoch lediglich einen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 7.000€ geltend machen. Auch vorgerichtliche Anwaltskosten wurden lediglich aus dem verringerten Gegenstandswert zugesprochen.
Sie haben eine Vertragsstrafenforderung erhalten? Wir geben Ihnen Tipps für Ihr weiteres Vorgehen.
Bitte beachten Sie, dass Vertragsstrafenforderungen – wie hier vom VSV – nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Wie auch in Abmahnungen sind die Fristen oft kurz bemessen und ein schnelles, aber gleichwohl bedachtes Handeln ist gefragt.
Wichtig ist, dass Sie trotz der akuten Situation und des Zeitdrucks niemals ungeprüft die geforderte Summe zahlen sollten. Vielmehr gilt es zunächst zu untersuchen, ob der angesprochene Unterlassungsvertrag wirksam zustande kam, der gerügte Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt und dieser auch einen Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag darstellt. Möglicherweise ist die geforderte Vertragsstrafe der Höhe nach nicht angemessen.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung, ob es sich um eine berechtigte Vertragsstrafenforderung handelt und welche rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten in Ihrem konkreten Fall bestehen.